Frieder Schumann ist aktuell Leiter des Servicezentrum Inklusion der Universität zu Köln. Thomas Hennemann ist aktuell Beauftragter für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung der Universität zu Köln.
Könnten Sie uns bitte einige kurze Informationen zu Ihrer Person geben? Zum Beispiel: Ihr beruflicher Hintergrund und was Sie dazu motiviert hat, sich für diese Thematik zu engagieren?
Frieder Schumann: Während meiner Schul- und Studienzeit war ich antifaschistisch aktiv und habe mich gegen Diskriminierung und für Partizipation eingesetzt. Während und nach meinem Studium der Erziehungswissenschaften habe ich im BildungsRaumProjekt »school is open« die Inklusiven Universitätsschulen der Stadt Köln mitgegründet. Wie wollen wir miteinander lernen und leben? Wie kann Lernbegleitung Chancengerechtigkeit und Lernchancen verbessern? Das waren zentrale Fragen. Aktuell leite ich das Servicezentrum Inklusion der Universität zu Köln und berate dort Studierende u.a. hinsichtlich Studienplanung, Lernen, Nachteilsausgleichen und Teilhabe.
Thomas Hennemann: Ich gehöre zur „first generation“ und kenne aus meiner eigenen Biographie, wie wichtig die Durchlässigkeit in Bildungsinstitutionen ist und wie bedeutsam prozessbegleitende Beratungs- und Unterstützungsangebote im Bildungsprozess sind. Als ausgebildeter Sonderpädagoge fühle ich mich sehr der Inklusion verpflichtet. Mir ist es ein besonderes Anliegen sowohl als Professor am Department für Heilpädagogik und Rehabilitation als auch in meiner Funktion als Beauftragter für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung meinen Beitrag im Sinne einer inklusiven und damit barrierefreien Universität zu Köln mitzuwirken.
Welche Aufgaben umfasst Ihre Rolle als Beauftragter für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen?
Der Beauftragte vertritt die Rechte und Interessen von Studierenden mit Behinderung, chronischen oder psychischen Erkrankungen. Ich bin daher eine erste Anlaufstelle, wenn diese Studierenden Diskriminierung erleben oder sich über unangemessene Nachteilsausgleiche beschweren. Die Beauftragten können aus ihrer Sicht unzulängliche Maßnahmen im Rahmen eines Nachteilsausgleiches mit aufschiebender Wirkung beanstanden. Wir Beauftragte wirken insbesondere bei der Planung und Organisation der Lehr- und Studienbedingungen und beim Nachteilsausgleich hinsichtlich des Studiums und hinsichtlich der Prüfungen mit. Grundsätzlich behandle ich Beschwerden von Betroffenen. Dann vermittle ich zwischen den Interessen der Studierenden und den Anforderungen der Einrichtungen der Universität. Außerdem vertrete ich die Interessen der Zielgruppe in Gremien. Ihre Interessen sichtbar zu machen und Lehrende und andere Entscheidungsträger für die Belange von Studierenden mit Behinderung und chronischer Erkrankung zu sensibilisieren, ist mir besonders wichtig. Zuletzt unterstütze ich Studierende mit Stellungnahmen für Träger, wie bspw. den LVR, damit sie die benötigten Maßnahmen erhalten, um erfolgreich studieren zu können.
Das Servicezentrum Inklusion der Universität zu Köln berät Studierende mit Behinderung, chronischen oder psychischen Erkrankungen und Belastungen zu Teilhabe, Nachteilsausgleich, Kommunikation, Studienplanung, Lernstrategien und zum Umgang mit Barrieren und Benachteiligung. Neben der Inklusionsberatung haben wir extra eine Psychologische Beratung eingerichtet, da höhere Belastungen im Studium berichtet werden und die Gruppe der Studierenden mit psychischen Erkrankungen den größten Anteil unserer Zielgruppe ausmacht und aktuell zunimmt (DSW, Studierendenbefragung in Deutschland: best3, S. 21). Außerdem bieten wir eine Reihe anderer Services wie Peergroups, Arbeitsräume mit assistiven Technologien, Studienassistenz, Literaturumsetzung u.v.m. an. Unsere Arbeit wird oft aber auch politisch, wenn wir uns gemeinsam mit den Beauftragten für Studierende mit Behinderung für bedarfsorientierte und vereinfachte Erteilung von Nachteilsausgleichen, für eine bessere Unterstützung unser Zielgruppen oder gegen deren Diskriminierung einsetzen.
Ihre Vision für die Zukunft: Welche langfristigen Ziele haben Sie für die Unterstützung von Studierenden mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen an Ihrer Universität?
Grundsätzlich wünschen wir uns eine stetige Entwicklung der Universität zu Köln auf dem Weg hin zu einer barrierefreien Hochschule, die geprägt ist von dem gemeinsam geteilten Wert, Vielfalt als Stärke – ja als ein bedeutsames Exzellenzkriterium anzuerkennen. In diesem Sinne wünschen wir uns noch stärker als schon heute, dass jede/r Studierende sich zu jedem Zeitpunkt im Rahmen des Studiums mit den jeweiligen individuellen Bedarfen ernstgenommen und unterstützt fühlt. Wir wünschen uns, dass Studierende ernst genommen werden und dass sie über ihre Erfahrungen mit Behinderung offen sprechen können. Des Weiteren wünschen wir uns, dass sie Nachteilsausgleiche angeboten bekommen, die mehr Chancengerechtigkeit herstellen und ihren Bedarfen entsprechen.
Studierende, die Belastungen durch ihre gesundheitliche Situation erfahren, sollten nicht auch noch die Kommunikation mit ihrer Hochschule als Belastung empfinden. Das Ziel aller Beteiligten am Hochschulleben ist es doch, Studierenden einerseits die Inhalte ihres Studiengangs zu vermitteln, aber auch, sie darüber hinaus umfassend zu bilden und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Aufgabe ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die dies allen Studierenden ermöglichen, unabhängig von ihrer gesundheitlichen und persönlichen Situation. Dazu zählen die Sichtbarkeit bestehender Angebote und eine hohe Servicequalität aller Einrichtungen der Hochschule zu verbessern.
Aktuelle Entwicklungen: Welche aktuellen Entwicklungen oder Projekte gibt es im Bereich der Behindertenrechte und der Unterstützung von Studierenden? Welche Veränderungen haben sich in den letzten Jahren ergeben?
15 Jahre nach Inkrafttreten den UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung sind viele Orte immer noch nicht barrierefrei. Menschen mit Behinderung berichten laut Antidiskriminierungsbeauftragter des Bundes am meisten von Diskriminierung. Vielleicht. haben wir uns zu viel vorgenommen oder falsche Prioritäten gesetzt. Die Verbesserungen gehen langsam voran, aber sie gehen voran – in die aus unserer Sicht „inklusive“ Richtung. Und wir merken, dass alle von barrierefreieren Orten und Angeboten profitieren. Deshalb machen wir weiter und engagieren uns. Wir vernetzen Akteure, die gemeinsam an Verbesserungen arbeiten und suchen das Gespräch mit Entscheidungsträger*innen. Wir wollen außerdem das Wissen über Serviceangebote und Möglichkeiten des Nachteilsausgleichs noch einfacher zugänglich machen. Aktuell bemühen wir uns insbesondere das Thema „mental health“ von Studierenden noch viel stärker in das Bewusstsein aller Beteiligten zu rufen und im Sinne eines mehrstufigen Versorgungssystems ein verbessertes Unterstützungssystem für Studierende zu entwickeln. Gleichzeitig sind wir im engen Gespräch mit den Prüfungsämtern, um gemeinsam vergleichbare Nachteilsausgleiche auch für Studierende mit psychischen Erkrankungen zu erwirken, mit deren Hilfe betroffene Studierende ihr Studium erfolgreich an der UzK abschließen können.